Förderung 2016 bis 2017
Bilderschicksale der modernen Kunst sind im 20. Jhd. in die vielfältigsten künstlerischen wie außerkünstlerischen Entwicklungen einbezogen. Neben dem gängigen Erwerb und Verkauf von Werken, der Aufnahme in Privatsammlungen und Museen kommen dabei auch die verheerenden Ereignisse von NS-Zeit und Krieg in den Blick. Bei diesem Projekt wird eine Privatsammlung näher untersucht: die Sammlung Willy Hahn.
Der Pianist und Kapellmeister Willy Hahn (1896–1988) begann in den 1920er Jahren moderne, d.h. damals zeitgenössische Kunst zu sammeln. Er führte dies bis zu seinem Tode fort, erwarb Werke bei Kunsthändlern und von anderen Sammlern. Mit einer Reihe von Künstlern (Oskar Kokoschka, Max Beckmann, Erich Heckel u.a.) war er auch persönlich bekannt oder befreundet. Auf diese Weise gelangte schließlich eine Reihe bedeutender Werke der Klassischen Moderne in die Sammlung, auch wenn vieles – bedingt durch Kriegsverluste oder durch Weiterveräußerung – nicht dauerhaft zusammen blieb. Ohne Zweifel wurde die Sammlung jedoch zu einer wichtigen Durchgangsstation für Werke, die sich heute oft in namhaften Museen des In- und Auslandes befinden.
Ziel des Forschungsprojektes ist die Rekonstruktion dieser Kunstsammlung und die Erforschung der Provenienzen. Dabei gehen die Projektbeteiligten davon aus, dass das Interesse an Privatsammlungen, die den fraglichen Zeitraum unter Einschluss der NS-Jahre umfassen, in den zurückliegenden Jahren stark gewachsen ist. Die Forschungsergebnisse dürften auch für jene Sammlungen – öffentliche wie private – relevant werden, in denen sich viele Kunstwerke der Sammlung Willy Hahn heute befinden. Dazu gehören die Kunstsammlungen Dresden. Dorthin ist mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder nicht allein ein wichtiges Gemälde – Oskar Kokoschka, „Gitta Wallerstein“, 1921 – gelangt, sondern als Schenkung zugleich eine Kollektion von 80 Zeichnungen und Aquarellen Kokoschkas, bei denen die entsprechenden Provenienzen bereits überprüft wurden. Die Sammlung berührt auch die NS-Aktion „Entartete Kunst“, denn der Sammler gehörte zu jenen, die um 1938-40 von den seinerzeit damit befassten Händlern, darunter Ferdinand Möller, Werke aus ehemaligem Museumsbesitz erwarben. Ob Kunstim Sinne NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts zur Sammlung gehörte, soll gleichfalls untersucht werden.
Grundlage der Recherche bilden die nachgelassenen, bisher unveröffentlichten Lebenserinnerungen des Sammlers sowie eine Reihe von ebenfalls nachgelassenen Unterlagen (Listen, Briefe, Fotos etc.). Angestrebt wird sowohl eine überarbeitete und kommentierte Herausgabe der Lebenserinnerungen als auch die oben angesprochene kritische Rekonstruktion der Sammlung. Ergänzend soll auch über Willy Hahn als Kapellmeister, Pianist und Liedkomponist Auskunft gegeben werden.
Das Vorhaben wurde von der Ferdinand-Möller-Stiftung in Berlin beratend und organisatorisch betreut. Projektleiter war Dr. Peter Hahn, vormals Direktor des Bauhaus-Archivs Berlin und Sohn des Sammlers. Für die Provenienzforschung wurde die Dresdener Kunsthistorikerin Dr. Kathrin Iselt gewonnen. Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Provenienzforschungsprojekt Daphne, haben das Vorhaben unterstützt, genauso wie die Forschungsstelle „Entartete Kunst“ an der Freien Universität Berlin.
Auskünfte: Dr. Peter Hahn, E-Mail: hahnepeter@web.de