Im Mittelpunkt des Forschungs- und Publikationsvorhaben sollen die Menschen stehen, die von der Tanz- und Theaterpolitik im nationalsozialistischen Deutschland dahingehend betroffen waren, dass sie ihrer künstlerischen Tätigkeit nicht mehr nachgehen konnten, ausgegrenzt wurden, emigrieren mussten oder gar inhaftiert, deportiert oder ermordet wurden. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Gruppe der Tanzkünstler/innen aus ganz unterschiedlichen zwingenden und besonderen Gründen z. B. relativ häufig von Emigration betroffen war. So waren wegen ihrer Religionszugehörigkeit, wegen ihrer sexuellen Orientierung, wegen ihrer politischen Einstellung oder/und wegen ihrer nicht genehmen künstlerischen Arbeit Hunderte gefährdet. Im Gegensatz zu anderen Künstler/innen waren Tanzende oft jünger, ungebundener und mit dem Wissen, dass Tanzen weltweit möglich ist, vielleicht auch eher bereit, den Schritt in die Emigration zu wagen. Mit den Künstler/innen von der Bühne sind im Übrigen auch ihre künstlerischen Werke verschwunden.
Diese Forschung kann einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung der deutschen Tanz- Theatergeschichte dieser Zeit leisten. Durch die Eroberungspolitik des nationalsozialistischen Deutschlands ist es auch ein Projekt von europäischer Dimension, durch die weltweiten Exile eines von internationalem Ausmaß.
Das Vorhaben wird im Rahmen des Forschungsschwerpunktes „Kultur- und Kunstpolitik im Nationalsozialismus" der Ferdinand-Möller-Stiftung in Kooperation mit dem Land Berlin realisiert.
Ralf Stabel:
Studium der Theaterwissenschaften und Choreografie an der Theaterhochschule „Hans Otto" Leipzig.
Promotion an der Universität Bremen zum Verhältnis von Politik und Tanzausbildung am Beispiel der Palucca Schule Dresden.
Professuren für Tanzgeschichte und Tanzdramaturgie in Dresden und Berlin.
Publikationen vornehmlich zur Tanzgeschichte im 20. Jahrhundert.
Monografien und Filme u. a, zu Palucca, Mary Wigman und Alexander von Swaine unter besonderer Berücksichtigung der Zeit des Nationalsozialismus.
Abbildungen aus dem Buch von Ralf Stabel: „Alexander von Swaine, Tanzende Feuerseele“, Henschelverlag 2015, mit freundlicher Unterstützung der Ferdinand-Möller-Stiftung.